Kapitel 8
Die Pflicht zur Erhaltung unseres Planeten

Die österreichische Sozialdemokratie hat ökologischen Anliegen schon lange einen hohen Stellenwert eingeräumt, doch deren Bedeutung in der Praxis nicht immer konsequent umgesetzt. Wo ökologische und ökonomische Anliegen nicht miteinander vereinbar waren, hat sie dem Wirtschaftswachstum oft eine Vorrangstellung eingeräumt. Die sozial verträgliche Umgestaltung unserer Gesellschaft hin zu ökologischer Nachhaltigkeit unterscheidet uns auch in Zukunft von anderen Ansätzen in diesem Bereich. Aber angesichts des Klimawandels ist klar, dass dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen – auch als Grundlage der sozialen Gerechtigkeit – die höchste Priorität zukommen muss.
(1) Die Klimakatastrophe hinzunehmen ist nicht nur aus ökologischen Gründen fatal, sondern auch eine soziale Ungerechtigkeit. Denn sie wird dazu führen, dass es sich einige wenige richten können, während viele den Folgen der Klimaerhitzung hilflos ausgesetzt sind. Sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind heute schon überproportional von den Folgen der Umweltverschmutzung betroffen. Unter der Luftverschmutzung des motorisierten Individualverkehrs leiden besonders jene, die in den billigeren Wohnlagen in der Nähe stark befahrener Straßen wohnen. Und wenn in den Städten in den Sommermonaten der so genannte „Backofen-Effekt“ eintritt, leiden besonders jene, die kein Wochenendhaus am Land haben, die nicht in klimatisierten Wohnungen leben oder in den reichen Vorstädten mit viel Grün zwischen den Villen. Um diese Ungerechtigkeit auszugleichen, braucht es eine aktive Politik, die in diesem Fall z. B. Fassaden-, Dach- und Stadtbegrünungen, das Öffnen von Grünflächen für alle sowie Innenhofzusammenlegungen forciert. Umwelt- und Klimapolitik heißt letztlich, allen Menschen ein besseres und gesünderes Leben zu ermöglichen. Dabei geht es nicht notwendigerweise darum, dass die aktuelle Generation ihre Lebensqualität verringern muss, um künftigen Generationen eine Welt mit hoher Umweltqualität zu hinterlassen. Sie kann auch für uns, die wir jetzt auf dieser Erde leben, eine Erhöhung unserer Lebensqualität sowie Wohlstand und Beschäftigung bringen.
(2) Globale Verantwortung erfordert lokales Handeln. Die Klimaerhitzung wird gerne als globales Phänomen verstanden, das eine ebenso globale Lösung verlangt. Ein solches Verständnis bietet auch eine billige Ausrede, nationale Anstrengungen zu unterlassen und sich auf fehlende internationale Kooperation herauszureden. Dabei sind Treibhausgasemissionen, die hauptverantwortlich für den Klimawandel sind, zu einem großen Teil auch für lokale Umweltprobleme verantwortlich. Was wir lokal an Schadstoffen ausstoßen, summiert sich nicht irgendwo in einer globalen Ferne zur Klimakatastrophe, sondern sorgt unmittelbar und konkret vor unserer Haustüre für schwerwiegende Belastungen. Klimapolitik, die auch lokale Luftverschmutzung reduziert, trägt zu mehr Umweltgerechtigkeit bei. Das heißt, dass nationalstaatliche oder regionale klimapolitische Maßnahmen sinnvoll sind. Wir wollen nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch für die Nationalstaaten klare Ziele zur Verbesserung der Energieeffizienz, zum Ausbau erneuerbarer Energieformen und zur CO2-Reduktion. Österreich soll sich hier an die Spitze stellen und bis 2040 CO2-frei werden. Zum Schutz der Umwelt sollten zudem umweltfreundliche Technologien stärker gefördert und umweltschädliche Technologien stärker besteuert werden.
(3) Klima- und Umweltschutz tragen zu einer gleichberechtigten Gesellschaft bei. Umweltpolitik und Verteilungsfragen sind eng miteinander verbunden. Es ist unsinnig, die ökologische und die soziale Frage gegeneinander auszuspielen. Das wäre so, als hätte man vor 150 Jahren die Kämpfe für Sicherheit in der Fabrik gegen den Kampf um höhere Löhne ausgespielt. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben Wohlstand und andere politische Ziele wie Gesundheit oder Lebensqualität immer zusammengehört. Wir wissen auch, dass die Umwelt- und Klimapolitik im Sinne der Bevölkerung gestaltet werden kann und muss. Alle Menschen haben ein Recht auf eine intakte Umwelt. Konsequentes Handeln gegen Umweltverschmutzung und Klimawandel – etwa durch ein Verbot von unnötigem Plastik – muss und darf keine negativen sozialen Auswirkungen haben. Wir haben alle Chancen der Welt, dadurch mehr Beschäftigung, eine gleichere Einkommensverteilung und ein gesünderes und längeres Leben zu erreichen.
(4) Gemeingüter fördern heißt weniger verbrauchen. Eine optimal ausgebaute öffentliche Infrastruktur hat eine zentrale Funktion, wenn es darum geht, den individuellen Ressourcenverbrauch zu verringern. Als etwas, das alle gesellschaftlichen Schichten teilen, stärkt ein gut funktionierender öffentlicher Verkehr nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, er führt auch zu einer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs, v. a. wenn er von verlässlichen kleinräumige Netzen in Verkehrsverbünden bis hin zu internationalen Bahn- und Wasserstraßenverbindungen reicht. Ähnliche Wirkungen haben auch gut ausgebaute kommunale Dienstleistungen, öffentlich zugängliche Naherholungsräume und ein starker gemeinnütziger, nachhaltiger und öffentlicher Wohnbausektor, der für einen großen Teil der Bevölkerung zugänglich ist.
(5) Umwelt ist ein öffentliches Gut. Wir werden für den Erhalt der Umwelt und gegen die Privatisierung öffentlicher Ressourcen ankämpfen. Wir bekennen uns zum Vorsorgeprinzip, wonach neue Technologien erst dann zur Anwendung kommen dürfen, wenn ihre grundsätzliche Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit nachgewiesen ist. In der öffentlichen Beschaffung ist bei Ausschreibungen auf ökologische und soziale Standards zwingend zu achten.
(6) Verantwortungsvoller Umgang mit Energie. Das Thema Energie muss als System betrachtet werden und nicht als zusammenhangloses Panorama von Fragen wie Treibstoff, Warmwasser und Stromerzeugung. Unsere große Chance dabei ist die Digitalisierung aller Komponenten, die eine kluge Abstimmung aller Einzelteile möglich macht. Österreich ist in der Lage, den gesamten Strom, den es benötigt, auch selbst herzustellen. Wir wollen mithilfe des technologischen Fortschritts einerseits die Versorgung sicherstellen und andererseits viel weniger Energie verbrauchen. Wir setzen uns für eine effiziente und naturverträgliche Ökostromförderung und außerdem für eine energieeffiziente Bauweise und umfassende thermische Sanierungen ein. Wir bekennen uns klar zu einer politischen Verantwortung für die Energieinfrastruktur einschließlich des Netzausbaus und effizienter Technologien für die Gewinnung, den Transport und die Speicherung von Energie. Die Energiegewinnung aus Atomkraft ist brandgefährlich und hinterlässt Atommüll, der noch vielen nachfolgenden Generationen zur Last fallen wird. Deshalb werden wir weiterhin gegen Atomkraftwerke auftreten und uns auch auf internationaler Ebene für einen Ausstieg aus der Atomkraft einsetzen. Ein erster Schritt dazu ist das Vermeiden von Einkauf von Atomstrom. Mittelfristig muss Euratom in zu einem Atomausstiegsvertrag weiterentwickelt werden.
(7) Unser Ziel ist ein Umstieg von fossilen Verbrennungsmotoren auf alternative klimafreundliche Antriebsformen. Österreich soll in diesem Bereich zur Weltspitze gehören, denn damit sichern wir nicht nur unsere ökologischen Grundlagen, sondern auch unsere künftige ökonomische Wohlfahrt, da diese Branchen die Technologien der Zukunft entwickeln. Um das zu erreichen, müssen wir eine zielgerichtete Forschungspolitik betreiben, die innovative, disziplinenübergreifende Durchbrüche ermöglicht. Gleichzeitig werden wir den Ausbau des öffentlichen Verkehrs forcieren.
(8) Wir wollen eine nachhaltige Lebensmittelproduktion. Die Landwirtschaft soll zu einem gesunden Leben beitragen, qualitätsvolle, möglichst regionale und leistbare Ernährung sicherstellen und besondere Rücksicht auf Tierrechte und Tierwohl nehmen. Biologische Produktion, traditionelle Anbauweisen und eine kleinstrukturierte Landwirtschaft leisten hierzu den besten Beitrag. Der Einsatz von Pestiziden muss so gering wie möglich gehalten werden. Gentechnisch manipulierte Organismen haben in unserer Landwirtschaft nichts verloren. Wir bekennen uns zu einer gerechten und transparenten Landwirtschaftsförderung, die an ökologische und soziale Kriterien gebunden ist. Familienbetriebe, Nebenerwerbsbetriebe und Bergbauernbetriebe sollen dadurch erhalten bleiben. Das entscheidende Förderkriterium dabei ist nicht der Grundbesitz, sondern der notwendige Arbeitseinsatz. Wir wollen eine Landwirtschaft, die der Erhaltung der Biodiversität und einer intakten Natur, dem Schutz vor Naturgefahren und der Pflege der Kulturlandschaft dient. Dazu ist die Ausweitung von geschützten Gebieten unerlässlich.
(9) Wir stehen für einen nachhaltigen Wandel unseres Umgangs mit Tieren. Die Würde und das Wohlergehen der Tiere sind uns wichtig – insbesondere dort, wo sich unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem im Spannungsfeld zwischen Tierschutz und ökonomischen Fragen befindet, aber auch in anderen politischen und rechtlichen Fragen, die der Öffentlichkeit wichtige Anliegen sind. Wir stellen uns den zentralen Themen des Tierschutzes in der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung, hier vor allem den tierschutzrelevanten Bereichen der Haltung und der Pflege und des Transports von (Haus-)Tieren, aber auch dem Konsum von tierischen Produkten.